Projekte

 

Ausstellung und Vortrag im Hospiz-Verein Wiesbaden in der Aula des Roncalli-Hauses (2004)

 

> Arbeiten Mechthild Woestmann 1
> Arbeiten Mechthild Woestmann 2
> Arbeiten Marion Haas
> Arbeiten Marlen Labus
> Arbeiten Rossi Trauth
> Arbeiten Siegfried Kiontke
> Arbeiten Wolfgang Becker

 


Der Tod in der bildenden Kunst der Moderne

Über den Tod lässt sich eigentlich nicht sehr viel sagen. Niemand hat ihn bisher erfahren, niemand weiß, wie es ist, wenn man tot ist. So dürfte man fast zu dem Schluss kommen: Den Tod, den gibt es gar nicht!

So einfach scheint es allerdings nicht zu sein: Man kann zwar den Tod selbst nicht erfahren, aber man kann ihn während seines eigenen Lebens erfahren: indem man versteht, dass die eigene Lebenszeit begrenzt ist; indem man mit Menschen konfrontiert ist, denen die letzte Stunde geschlagen hat; indem man etwa von einem Arzt die Nachricht seines eigenen nahenden Todes erhält; indem man noch die letzte Sekunde seines Lebens, auch wenn der Zug einen schon erfasst haben mag, mit Bewusstsein erlebt.

Was ist eigentlich der Tod? In unserer Sprache verwenden wir oft die Formulierung: Er oder sie ist tot. Er oder sie ist also etwas. Er oder sie befindet sich in einem bestimmten Zustand. Wir können mit unserer Sprache offensichtlich nicht anders verfahren, als im Tod einen Aspekt des Lebens zu sehen. Denn wenn jemand tot ist, dann ist er doch noch was! Vor allem ist er für uns etwas.

Nun zeigt aber die Erfahrung, dass diese Art des Lebenszustands, also der Tod, erhebliche Folgen für unser eigenes Leben hat: der Tod eines Angehörigen, eines Freundes, eines Arbeitskollegen beeinflussen unser Leben. Das, was uns am Tod des Anderen schockiert, ist, dass alles das von ihm wegfällt, was wir von ihm gewohnt waren: Dass er auf uns auf eine bestimmte Art und Weise reagiert, wenn wir mit ihm zusammen sind. Er reagiert nicht mehr auf uns. Damit ist ein Teil von uns mit ihm gestorben. Diese schmerzreiche Erfahrung zu verarbeiten nennen wir Trauer - die Trauer als ein Zustand des Lebens, in dem allerdings wiederum nicht der Tod selbst der Gegenstand der Verarbeitung ist, sondern die eigene Haltung gegenüber dem Verlust.

Aber nicht nur im unmittelbaren Umkreis des Todes ist gerade der Tod das Konstitutivum des Lebens: Die Entwicklung des Lebensprozesses setzt viele kleine, von einem selbst oft unbemerkte Tode voraus. Wenn man sich für etwas entscheidet, dann muss man die konkurrierenden Möglichkeiten, für die man sich auch hätte entscheiden können, sterben lassen, denn sonst könnte das Leben nicht weitergehen. Man muss viele Handlungsmöglichkeiten regelrecht ausschalten, damit sie einem den Weg frei machen zu neuen Taten.

Auch die Metamorphose in der Natur setzt verschiedene Etappen des Todes voraus: Aus der Kaulquappe wird ein Frosch; nur dadurch, dass die Kaulquappe ihren wesentlichen Zustand aufgibt, kann aus ihr etwas anderes, ein Frosch werden. Etwas Positives setzt also etwas Negatives, also dessen Verneinung voraus. Erst der Tod, erst die Vernichtung hält den Lebensprozess im Fluss. Erst durch die Vernichtung des einen kann etwas anderes werden.

Das Thema des Todes in der bildenden Kunst nimmt einen besonderen Stellenwert ein. Kunst setzt sich mit dem Leben in einem umfassenden Sinne auseinander, und damit auch mit dem Tod. Kunst beschäftigt sich mit dem Unbekannten, Ungewohnten, Transzendenten, mit dem Übersinnlichen... Gerade der Tod birgt einen faszinierenden Reiz des Rätselhaften. Künstler, die ihre Augen nicht vor der Realität verschließen, sondern auf methodische Art dem Tode begegnen, sich mit ihm konfrontieren, erfahren eine besondere Steigerung ihres Lebens und verspüren die innere Mission, ihre Erfahrungen bildnerisch zu verarbeiten. Damit ist auch der Versuch beinhaltet, das Unbekannte zu bannen, zu besänftigen.

Einführungsrede des nachfolgenden kunstgeschichtlichen Vortrages von Michael Becker, Leiter der wfk

 

 

 

 

 

 

 

 

Wolfgang Becker